Review: Sturgill Simpson / Sound And Fury

They see me rollin… in meinem 60 PS Opel Astra Easytronic! In Power Rot - ECHTE (!) Bezeichnung ab Werk, Baby! Wenn ich mal richtig das Pedal durchs Bodenblech drücke, lass‘ ich noch jeden E-Roller hinter mir. Da guckt die Mutti, wenn 1.0 Liter made in Rüsselsheim durch die Rohre ballern. Autofahren, geil! Außerdem die Lieblingsanalogie in meinen Reviews. 

Umso schöner, dass mir Sturgill Simpson ordentlich PS auf die Straße pumpt: Motor an, Fenster runter, laut aufdrehen, ab auf die Straße, Gas geben. Nach kurzer Sendersuche dröhnen einem in Ronin 12 Zylinder in die Ohren und geben die Richtung vor: acidgeschwängert durch die Tiefe der Nacht. Die Waffe des Ronin ist sein Schwert, die Waffe von Simpson ist fetter Bluesrock. Ein guter Ronin zieht sein Schwert immer erst zum Schluß, aber auf solche Kinkerlitzchen hat der Amerikaner auf seiner vierten Soloscheibe keinen Bock: Vollgas von Anfang an! Fette Effekte, alte Riffs neu interpretiert, ein Song gemacht für einen heißen Ritt durch die Wüste! Passend dazu kommt Sound & Fury nicht ohne Klischeecover aus: Musclecar flieht vor einem Totenkopf-Atompilz. Des Tätowierers feuchter Traum!

Aber Moment mal… Hat der Heavy Metal Fanboy auf dieser Seite nicht neulich mehr Metal versprochen? Ja, zugegeben habe ich. Aber dann bin ich auf diesen heißen Ofen mit ner Menge ZZ Top und The Black Keys im Tank gestoßen und dachte, ich drehe noch eine kleine Bluesrock-Runde. So nimmt Remember To Breathe den asiatischen Charme von Ronin mit und liefert Tarantino-geschwängerten Roadmovie Groove. Sing Along stampft ordentlich unter der Haube, verzerrte Stimme, verzerrte Orgel, verzerrte Gitarren. Ein schmuckes Musclecar! Fette Riffs gibt es in Best Clockmaker On Mars, klassischen Rock in Last Man Standing, fettes Stadionfeeling in Fastest Horse In Town und, und, und...

Kein verschachteltes Prog Werk. Kein Geschwindigkeits-Gefrickel. Kein Rhythmus-Gepose. Einfach nur straighter, amerikanischer Bluesrock. Auf meiner Playlist gerade die schnellste Kiste in der Garage!


Review: Suicidal Angels / Years of Agression

Ach, der Urlaub war klasse! Schweden! Endlich! Der aktuelle Heavy Metal Place to be! Vom Mautstellen-Angestellten bei der Einreise direkt mal angemeckert werden, warum man am Tag von Dave Mustaines Geburtstag Auto fährt und nicht Megadeth feiert? Sorry, Dude!

Also: wenn am Markt gerade Qualität, dann natürlich aus Schweden! Was macht man also als HeavyMetalFanboy? Man widmet sich einer Band aus… genau. Griechenland! 

Ich verspreche vorab: keine Gyros-, Souvlaki, Tzatziki- und Pleitegeierwitze. Denn das, was die Suicidal Angels mit Years of Agression vorlegen, hat nix mit lauwarmen und zähen Fleischbergen vom Imbiss um die Ecke zu tun und ist auch vom Armutszeugnis weit entfernt. Stattdessen gibt es feinsten, oldschooligen Thrash im sehr modernen Gewand. 

Auch wenn Thrash mich überhaupt erst zum Metal gebracht hat (ich spiele übrigens im Team „Ride the Lightning“…), tue ich mich in den letzten Jahren mit dem Genre doch zusehends schwer. Geschwindigkeits-Gepose, Schema-F in Sachen Songwriting, unbegründete Hypes – Perlen fand ich selten. 
 
Was machen Suicidal Angels nun also anders? Es ist die Liebe zum Detail und der Sound, welche Years of Agression so besonders macht. Jeder Ton ist da, wo er hingehört, jedes Riff sitzt. Endless War, Born of Hate, Bloody Ground sind Nummern, die man auch locker hätte Jeff Hanneman zuschreiben können. High-Gain-Gitarrenläufe, unfassbar präzise, technisch tadellos und in feinster „Reign in Blood“-Manier auf die Rille gebracht. Die Produktion des Gemetzels sucht seines Gleichen – besonders das Schlagzeug habe ich so klar und differenziert auf einer Thrashplatte selten gehört. Ohrenschmaus! D.I.V.A. fasst das alles schön zusammen. Irgendwo sitzt Lars Ullrich in der Ecke und heult… Mit The sacred dance with chaos gibt es nach guten 40 Minuten Vollgas-Geballere zum Abschluss noch eine sehr groovige und doomige Nummer. Gelungener Höhepunkt einer der Alben des Jahres.

Ich mach es mal wie die Band, nämlich direkt auf die zwölf: Hören! Sofort! Bester Thrash! Ballern!

Darauf ein Ouzo. Fuck. Ich hab es doch versprochen. Sorry.


Review: The Black Keys / Let's rock

Ihr kennt die Men in Black Filme? Außerirdische, welche als Menschen verkleidet unter uns leben? Ja? Dann bin ich wahrscheinlich nicht der einzige der glaubt, dass eines Tages Dan Auerbach und Patrick Carney ihre Masken, bestehend aus Augenringen und Schmalzlocke fallen lassen werden und ihr wahre Herkunft vom Planeten Rock’ n Nerd preisgeben. Aber ich will mich hier nicht an Äußerlichkeiten abarbeiten. Die wohl außerirdischste Band des Garagenrocks ist wieder da. Nach fünf Jahren Abstinenz und ein bisschen zu viel Gedöns auf der ein bisschen zu sehr auf Hochglanz polierten Scheibe „Turn Blue“ sind The Black Keys mit „Let’s rock“ wieder da. „Let’s Rock“, das waren die letzten Worte des 2018 auf dem elektrischen Stuhl hingerichteten Mörders Edmund Zagorski. Eben dieser elektrische Stuhl ziert in Pink das Cover der neuen Langrille. Wie das zu den esoterisch angehauchten Texten, dem spacigen Gesang und dem Gute-Laune-Vibe der Platte passt? Ich weiß es doch auch nicht! Wie eben angedeutet… nerdige Außerirdische unter uns! 

Dem Cover verpflichtet, liefern TBK eine fette Portion Starkstrom ab: Shine a little light stampft mit Thickfreakness-Gedächtnis-Fuzz-Gitarre ordentlich nach vorne. Der mehrstimmige und luftige Gesang steht im schönen Kontrast zum breitbeinigen Refrain. Schon jetzt ist großes Aufatmen angesagt: die „Turn Blue“-Tage liegen hinter dem Duo. Der El Camino wurde wieder aus der Garage geholt - starker Opener! Mit der Vorab-Single Eagle Bird geht’s auf hohem Niveau weiter: das typische Drumming von Carney trifft auf die angenehme Zerre von Auerbachs Axt, der Gesang ein wenig angefuzzt – ein richtig feiner Sommerhit. Für Lo/Hi holt sich das am uncool aussehendste Duo der Musikgeschichte auch auf Let’s rock weibliche Verstärkung ins Studio: der Backroundchor ist ein rundes und gelungenes Detail des Songs. Das whitestripige Gitarrensolo gibt dem Song eine sehr passende Note Dreck. Walk across the Water ist in Sachen Sound, Harmonie und Produktion eine Hommage an jede jemals geschriebene 70er Jahre Schmonzballade. Es trieft, es tropft, es perlt, es macht einfach Spaß. Und für die gesamte Platte lässt sich schon hier sagen, dass Carneys typisches reduziertes Spiel wie immer ein solides Fundament darstellt. Nach vorne bringt die Platte aber Auerbachs mutiges Gitarrenspiel: mehr Singlenotes, weniger Chords, differenzierte Soli, breiter im Sound. Tell me lies schwebt ein bisschen vor sich hin – schade, bei dem Song hat man ein bisschen das Gefühl, als sei mehr drin gewesen. „Every little Thing that you do is always coming back to you” – die abgefahren witzige Promokampagne der Keys lies erahnen, dass es ein bisschen esoterischer wird. Und so bekommt Every little Thing ein schönes psychodelisches Fundament: östliche Harmonien, Bongos, Hall. Selten wurde das Karma schöner besungen. Get yourself together feiert den Blues in seiner reinen Form: Slideguitar, klassisches Riffing, die Mädels dürfen auch wieder ran. Einfach stark! Ruft mal bitte bei Fogerty an, der will seinen Song wiederhaben: Sit around and miss you verneigt sich ehrfürchtig vor Creedence Clearwater Revival. Bevor nur eine Silbe gesungen wird, will man mit "left a good job in the city“ loslegen. Feiner Song, der Countryanstrich sticht aus der Platte hervor, mal was anderes. Go, auch bereits vorab als Single mit einem bereits jetzt schon ikonischen Video veröffentlich, ist ein klassischer Keys Song: glatte Strophe, dreckiger Refrain, Headbangpotenzial in der Bridge. Breaking down folgt diesem Muster, drückt aber nochmal eine Spur mehr aufs Gaspedal. Under the Gun vereint Dusty Springfield mit der „seven nation army“. PS: mehr Hall! Hat sich Fogerty schon gemeldet? Nein? Gut, dann lasst uns in der Zwischenzeit bei T-Bone Burnett anrufen, der bekommt für Fire Walk with me auch bestimmt ein bisschen Kohle. Augenzwinker-Smiley!

Back to the roots: viel Blues, viel Gitarre, starker Sound, bisschen Country, typische TBK-Attidude. Einfach eine starke Platte von Amerikas selbstbetitelter most dangereous Band. Back Das perfekte Album für einen chilligen Sommer!


Review: RPWL / Tales from outer space

Skandinavien – the metal place to be. Aber nicht alles Gute kommt automatisch aus dem schwermetallischen Norden Europas. Wirft man mal einen Blick über den Tellerrand, entdeckt man verdammt gute Musik auch aus anderen exotischen Eckchen der Welt: Indien, Südamerika, Osteuropa, Iran, Irak, etc. Zugegeben, da ist ne Menge merkwürdiges für die europäischen Hörgewohnheiten dabei, aber hier und da findet man doch auch mal eine Perle. So wie die großartigen RPWL. Aus Bayern. Sehr exotisch! Grüße aus Hamburg!

Der bajuwarische Süden Deutschlands wird bekanntlich das erste Bundesland mit eigenem Raumfahrtprogramm sein – inklusive Konterfei des Landesvaters im Missionsabzeichen. Muss man mögen. Die USS Söder. Die Weißwurst One. Bis zur Unendlichkeit und noch eine Maß weiter. Und während man in München Pläne schmiedet, wie der Weltraum erobert wird, sind vier Jungs aus Freising längst in eben diesen unendlichen Weiten unterwegs.

Mit „Tales from Outer Space“ liefern RPWL starken und eingängigen Progressive Rock zwischen Wilsons Porcupine Tree (A new World) und Pink Floyd (Light of the world) ab. Das Ganze wird, getreu dem Albumtitel, mit trashigen Weltraumsounds und Klischees aufgefüllt - immer songdienlich, mit Augenzwickern und immer passend. Welcome to the Freak Show beamt einem den typischen Raumschiff Enterprise Theremin Sound auf die Ohren. Das Piepsen, Piepen und Raumschiffgedöns in Not our Place to be kann schlicht unter jeder Folge Raumpatrouille Orion laufen. Das passt wie Captain Kirk auf sämtliche weibliche Besatzungsmitglieder!

Light of the world ist das Flagschiff der extraterrestrischen Songflotte: Gitarrist Kalle Wallner war jahrelang Kadett auf der David-Gilmore-Space-Gitarren-Akademie und steht dem Meister in Sachen Sound, Intonierung, Tiefe und Melodie in nichts nach. E.T. gefällt das! 

RPWL erfinden mit “Tales from Outer Space” das Rad des DeLorian nicht neu. Man hört der ehemaligen Pink Floyd Coverband ihre großen Vorbilder an (gewollt!), dafür sorgen alleine Gesang und Gitarre. Dafür bieten die Weißbier-Astronauten sieben richtig gut klingende SciFi-Episoden mit einer großen Portion 70er Charme an. Außerirdischer Ohrenschmaus! 


Review: Spidergawd / V

Diese Band ist der wahrgewordene feuchte Traum eines jeden Indie-Labels und einer zu Recht immer größer werdenden Fanschar. Seit nunmehr fünf Jahren kloppen Spidergawd jeweils im Frühjahr einen qualitativ arschgeilen Langspieler raus. No Filler just killer auf „V“ – wer dachte, dass mit dem Ausstieg von Motorpsycho-Tieftöner Bent Saether die Kreativzentrale die Kapelle verlässt, hat sich gewaltig geirrt. Spätestens mit dem Vorgänger „IV“ zeichnete sich die Richtung ab: noch mehr Melodie, noch mehr Gitarre, noch mehr fett, noch mehr druff. Oder passend schlicht zum Albumtitel in fünf Worten: Hits! Hits! Hits! Hits! Hits!

Die Titelgebung des Albums („V“) ist keine Überraschung und genau wie bei den Vorgängern gibt es innen Tophits und außen Geschmack: tolles Cover, Spidergawd liefern psychodelisches für Ohren und Augen!

Wer mit den Norwegern bisher keine Berührungspunkte hatte, bekommt im Opener All and everything sofort alle Trademarks der Nordmänner aus Trondheim um die Ohren gehauen: das für Spidergawd typische Saxophon zaubert eine verdammt coole 80er Jahre „Leathel weapon“ Atmosphäre herbei, das Drumming liefert spitzenmäßige Fills, der Bass blubbert angenehm durchs Kleinhirn, die Gitarre liefert gewohnt stark ab. Großes Plus: der sonst sehr kehlige Gesang von Per Borten wirkt ein wenig runder, bisschen glatter und fügt sich so noch besser in die Kompositionen ein. Für Ritual Supernatural wurde das Wort „Schweinerock“ erfunden. Fette 80er Gitarrenläufe im Iron Maiden Stil treffen groovig gespielten Hardrock. Unfassbar gut. Green Eyes kommt mit einem monströsen Metal Intro ums Eck. Der Song ist leicht mollig angehaucht und ein schöner Kontrast zum sonst straighten Stadionrock und liefert die dazu passenden „Foo Fighters – Harmonien“ gleich mit. Spannend ist die stets im Hintergrund präsente akustische Gitarre! Auf einer Platte voller Highlights sticht Whirlwind Rodeo mit den Attributen breiter, lauter, stärker heraus, bevor Do I need a Doctor…? einen Kniefall vor Motörhead macht. 

Spidergawd sind 70er Hardock gepaart mit NWOBHM Gitarren der 80er – ich will nie wieder was anderes hören! Fünf für Fett! Fünf für ferdammt gut! Fünf für fuck yeah!  


Review: Satan / Cruel Magic

Ein Album wie die Lieblings-Metal-Kneipe: dreckig, versifft, roh aber auch angenehm laut, vertraut, alles schmeckt und die Leute sind klasse. Zwar hat man sie alle schon ziemlich oft gesehen, den Typen mit den immer gleichen Geschichten an der Theke, seine „früher war alles besser“-Kumpels, die Kutten und den „ich hab schon mit Bon Scott gesoffen“-Jürgen vom Ecktisch.

Mit „Cruel Magic“ erfinden Satan Heavy- und Thrash Metal nicht neu. Die NWoBHM-Legenden liefern den besagten Stoff gewohnt vertraut, aber auf hohem Niveau ziemlich gut verpackt. Heldengeschichten, bisschen Mittelalter treffen klassische „Fist in the air“-Attitude treffen rohen Sound. Besonders das Schlagzeug wirkt, als stände es in besagter Metalkneipe direkt neben dem Tresen, um Jürgens alte ACDC-Geschichten zu übertönen. Gewöhnungsbedürftig zum Beginn, aber sehr stimmungsvoll und passend spätestens beim zweiten Durchlauf. Das wussten die „früher war alles besser“-Kumpels natürlich schon beim ersten Hören. Jungs, ich mag es halt modern… Sorry!

Aber kommen wir mal zum wichtigsten: Getränkekarte, ich möchte bitte bestellen!

Mit Into the Mouth of Eternity und Cruel Magic kommen zwei Pils vom Fass. Solider, guter Start. Doomsday Clock: das erste Herrengedeck wird serviert. Stimmungsvolles Akkustik-Intro, welches in eine breitbeinige, klassische Trashnummer übergeht. Knallt! Und gleich nen‘ Schnaps hinterher: Legions Hellbound liefert eine coole 80er Bridge, ein fettes Gitarrensolo mit Sound für Feinschmecker. Bisschen Metallica, bisschen One, bisschen Sabaton. Haut gut rein! Mit Ophidian ein kleines Bierchen zur Beruhigung, bevor einem mit My Prophetic Soul das Tablett Hörnerwhisky vor die Wampe gestellt wird. Cooles Riffing, schöner Gitarrengalopp, starke Melodie, auch gesanglich ganz weit vorne. Die Toms liefern einen kleinen, aber feinen fernöstlichen Anstrich. Schmeckt! Jack-Cola, kein Weg zurück, der Abend wird ballern: Death Kneal for a King liefert die beste Gesangslieferung und überzeugt durch das permant durchgetretene Gaspedal. Who among us ist die Plörre, die keiner mag. "Cruel Magic" hat wenige schwache Momente: Chor oder Zweitstimme kommen über das gesamte Album ein wenig zu dünn rüber. Trotz starken Parts an den Instrumenten raubt dieser Umstand dem Song den Punch. Aber schnell wird uns zur Wiedergutmachung der nächste Jack-Cola hingestellt und dieser schmeckt sogar besser als der erste! Ghosts of Monongah geht runter wie Öl dank klassischem Little Richard (!) Solo im Metal Gewand – mein Highlight der Langrille! Auch Mortality schleicht sich mit orientalischem Klang an, um dann sechs Minuten ordentlich zu grooven. Guter Rausschmeißer - Zahlen, bitte!

Die Kneipe leert sich langsam – bumsblau geht’s Richtung Bett. War ein guter Abend in der Lieblings-Metal-Kneipe!


Review: The Vintage Caravan / Gateways

An dieser Stelle mal eine erhobene Pommesgabel an die Jungs und Mädels von NUCLEAR BLAST! Das Label schafft es seit Jahren, besonders in Sachen „Retro“ nur den feinsten Shit zu signen. In den erlesenen Kreis der Label-Familie gesellen sich seit wenigen Jahren neben Kadavar, Blues Pills, Avatarium oder Witchcraft auch The Vintage Caravan.

Seit ich die drei Isländer damals als Vorband der „Unter dem Bart verbirgt sich irgendwo ein Gesicht“-Combo Kadavar gesehen habe, laufen „Voyage“ und „Arrival“ bei mir auf Heavy Rotation. Ignoriert man die Debut-EP aus Eigenregie, legen die Nordmannen mit "Gateways" nun die verflixte dritte Platte vor – und scheitern nicht. Im Gegenteil: der einst doch etwas sperrige, leicht rotzige Sound weicht einer sehr dynamischen und warmen Produktion. So gut klangen die 60er und 70er im modernen Gewand noch nie! Bestachen The Vintage Caravan besonders auf „Voyage“ mit jugendlichem Spirit, ist das Songwriting auf „Gateways“ erwachsener geworden. Das Repertoire ist reichhaltiger, an den Instrumenten haben die Jungs ordentlich zugelegt, die Texte sitzen, der Gesang klingt viel differenzierter als auf den Vorgängern.  

Reflections nimmt einen dank Brightness und Hall mit auf die Reise in die Vergangenheit. Yes lassen grüßen. Hidden Streams fuzzt sich derbe durch die Gehörgänge – starker Ohrwurm. Wenn bei Tune Out in der Songmitte die Singlenote-Gitarre einsetzt, stellen sich die Nackenhaare hoch. Der Song ist ein sechsminütiger psychodelischer Supertrip.

On the Run ist der stärkste Song der Platte und für mich schlichtweg ein Kleinod der modernen Rockmusik! Alleine die Dynamik der ersten Minute ist unfassbar packend. Text und Stimme brennen sich sofort ins Kleinhirn, Riffs und Melodie sind mehr als stimmig, das Solo lädt zur Luftgitarre ein. Nichts anderes als Weltklasse!

In der Rückschau sind die Albumtitel der Vintage-Kapelle gut gewählt. „Voyage“ markierte den Beginn einer Reise mit vielen Zitaten aus der Vergangenheit, mit „Arrival“ kamen die Jungs beim eigenen Stil an, „Gateways“ stößt die Tore in Richtung der großen Bühnen der Welt auf.

In der Kategorie „Rock“ meine Platte des Jahres!


Review: Hank von Hell / Egomania

Vorab: ich bin ein riesiger Turbonegro Fan. Der Ausstieg und anschließende Verfall von Hank van Helvete hat die Turbojugend erschüttert, auch mich. Dabei stellte sich immer die Frage, ob man den Spinner (irgendwie im netten Sinn) überhaupt gut finden darf: Drogen, Scientology, merkwürdige Musical-Ausflüge, Interviews an der unteren Geschmacksgrenze, gezielte sexuelle Provokationen und, und, und… die Liste ist lang. Die Musik war immer unfehlbar: breitbeiniger Rock, fette Metal Elemente vermischt mit Punk. 

Death Punk, Baby!

Nun ist der Prince of the Rodeo zurück. Nicht mehr als Hank van Helvete, sonder als Hank von Hell. Schwarzer Zylinder getauscht gegen ein weißes Exemplar, die Attitude aber ist die gleiche: mit Anlauf ins Gesicht. Aber kann man „Egomania“ überhaupt bequatschen, ohne Turbonegro zu erwähnen? Geht nicht, denn Hank knüpft verdammt gut an die Turbonegroschen Überwerke „Apocalypse Dudes“ und „Party Animals“ an, als wäre er nie weg gewesen.

Während sich seine früheren Weggefährten am Altherren Classic Rock abarbeiten und eher halbgare B-Seiten präsentieren, kloppt Hank eine Granate nach der anderen raus. Blood kommt mit groovigem Intro und fetten Drums um die Ecke und punktet dank fantastischem Bläser-Backround. Blut gerochen, Blut geleckt: der Überhit Bum to Bum, vorab mit einem „good old times - Video“ veröffentlicht, hat einfach alles! Groove, steiles Riff, Eier, schicken Gitarrensound, Hanks Stimme passt wie Faust in Bam Margeras Gesicht. Oder so ähnlich. Bombwalk Chic wartet mit dickem Metalgedöhns auf, Wild Boy Blues stände auch Danko Jones hervorragend zu Gesicht. Kurz gesagt: die Platte rockt!

All my friends are dead? Hank lebt. Und wie!


Review: Skeletonwitch / Devouring Radiant Light


Da isse! Die neue von Skeletonwitch! Endlich! Hört sie euch an, denn sie ist sehr gut! Die acht Songs sind ein ziemlich fetter Mittelfinger in Richtung Skeptiker und ein großartiger Beweis, dass Totgesagte länger leben. Nicht jeder Band gelingt ein Sängerwechsel, ist der Vocalist doch meist das prägende Element. Das mag im Falle des brutalen Gebrülls einer Thrash/Black Combo, wie Skeletonwitch es sind, auf den ersten Höreindruck nicht ins Gewicht fallen. Aber Adam Clemans am Mikro macht einen verdammt guten Job. Nach Chance Garnettes Ausstieg 2014 und dem kurzen Gastspiel von Andy Horn eigentlich schon am Boden, belebt Clemans die Baller-Kapelle aus Ohio mit größerer stimmlicher Bandbreite und Abwechslung. Vor allem im tiefen Growling ist der Tüp ne echte Macht (Devouring Radiant Light).

Großes Plus: der Besetzungswechsel hat einen extrem positiven Einfluss auf das Songwriting. Wurde auf den frühen Platten mit fast asozialem, kalten Sound die Sau durchs Dorf gejagt, ist das Repertoire heute breiter: kopflastiger, bisschen verprogt, tiefsinniger. Besonders die ruhigen Intros in der Vorabveröffentlich Fen of Shadows oder des Titeltracks Devouring Radiant Light sind klare Abgrenzungen zum Frühwerk und setzen großartige „Ruhe vor dem Sturm“ Akzente. Neu sind auch Spielzeiten jenseits der sechs Minuten: The Vault doomt und groovt einem neun Minuten in die Gehörgänge – fett!

Das alles ist kreativ, niemals langweilig, ein richtiger geiler Schritt nach vorne, aber hey: richtig Spaß machen Skeletonwitch, wenn sie die Thrashkeule schwingen! Der Tempowechsel ins Bay-Area-Geknüppel in Temple oft he Sun lädt zum Moshpit-Deluxe ein, The Luminous Sky ist das uneheliche Kind von Dave Lombardo. Voll auf die Glocke!

Abgerundet wird das Album vom klassischen „Kurt Balou & GodCity Studio – Signature“ Sound. Breite Arrangements, fette Sounds, viel Raum und Wärme. Einfach eine runde Sache!

Im November gehen Skeletonwitch mit den brachial-brillanten Mantar auf Double-Headliner Tour. Ihr findet mich in der Markthalle an der Bar links oben.


Review: Obscura / Diluvium

„Made in Germany“ - ein Qualitätsmerkmal. Wohl kaum ein anderer Ausspruch fasst die Vorurteile über uns Teutonen treffender zusammen. Technisch einwandfrei, bestes Material, gebaut von Spezialisten, gemacht für die Ewigkeit, präzise gefertigt. Auch wenn viele Produkte diesen Standards heutzutage nicht mehr gerecht werden (#früherwarallesbesser), so dürfen sich Obscura aus Landshut gerne einen „Made in Germany“-Aufkleber auf die Plattenhülle pappen. Allzu groß darf er aber nicht sein, er würde ein tolles Artwork stören. Die beiden Schriftzüge auf der Front verraten, wo es hin geht: Deathprog trifft Tech.  

Clandestine Stars und Emergent Evolution geben die Richtung vor. Epische Soli, verprogte Parts, dazu drückt der Thrash angenehm auf’s Gas, doppelläufige Gitarren batteln sich mit einer unfassbar geilen Rhythmussektion – ein wahnsinniger Stilmix, der im Endprodukt dennoch klar gemischt wurde. Alles klingt derbe fett zusammen und doch bekommt jeder Musiker genügend eigenen Raum. Von Anfang an ist klar: hier sind absolute Profis am Werk.

Sehr eigenwillig wirkt beim ersten Durchlauf der Flanger über der Stimme. Stellt man das Album aber in den Kontext mit den vorangegangen drei Platten, dessen Abschluss „Diluvium“ bildet, ergeben die gepitchten Vocals Sinn: es geht um Tod, den Übergang ins Nichts, in andere Sphären, in den unendlichen Cosmos. Die Vocals erhalten dank dem Effekt eine ordentliche Portion Science-Fiction und bilden eine coole Abwechslung zur typischen Melodic Death-Schablone „Gegrunze – Klargesang – Gegrunze“. Beam me up, Progie! 

„Diluvium“ als vertrackt, verschachtelt oder kompliziert zu bezeichnen, wäre derbe untertrieben. Hier kloppt einem das Stilgewitter die Gehörgänge platt. Trash trifft Death trifft Black trifft Prog trifft Melodic trifft Tech. Ballernde Doublebass trifft Basssolo (sind das etwa sieben Saiten? Alter!) trifft Djentgitarre trifft Math. Der Song verzichtet erstmals auf den gepitchten Refrain und brettert in fünf Minuten furztrocken vom einen Ohr ins andere und brennt sämtliche Gehirnzellen dazwischen nieder. 

Trommelgewitter mit geilen Tom-Toms, typisch Prog, aber einfach super gemacht. Mortification of the Vulgar Sun lässt den Klischeealarm aufheulen. Aber hey – wenn man sich diese Platte zulegt, dann will man das auch so haben. Das machen andere Kapellen auch, aber nur wenige auf Obscuras Niveau. Mit den gedroppten Akkorden und Steffen Kummerers Fauchen, Zischen und Keifen bekommt der Song eine starke, angsteinflößende und düstere Note ohnegleichen - vocaltechnisch ein Highlight der Platte. Die fixen Gitarrenläufe runden den technisch perfekten Eindruck ab. Plötzlich mitten im Song: Stille. Dann Akustikgitarre. Wilson und Akerfeldt lassen grüßen. „For those about to prog, we salute you“ (hat den schon jemand gebracht? Ansonsten „dips“!).

Ethereal Skies ist schlichtweg starke Gitarrenarbeit. An irgendeiner Kreuzung haben die Herren Kummerer und Trujillo für dieses Können garantiert ihre Seele dem Teufel verkauft. Steve Vai gefällt das. Wirkte der Flanger auf der Stimme anfänglich befremdlich auf mich, greift er hier als perfektes Stilmittel und kickt besonders gut in den angehmen Harmonien. Die Dur-Parts machen derbe Laune, die Streicher sorgen für Gänsehaut und leiten elegant ins Gitarrensolo über. Die folgenden Rhythmuswechsel zeigen wieder: an den Saiten und an den Drums macht der Landshuter Knüppelkombo keiner was vor - unfassbare Geschwindigkeiten, geile Skalen. Linus Klausenitzer am Bass ist ein Großer seiner Kunst!

Convergence macht keine Gefangenen. Manche Death Kombo mit Rang und Namen würde für solch eine Differenziertheit und Geschwindigkeit töten. Drummer Sebastian Lanser zeigt hier vier Minuten puren Wahnsinn.

Hör‘ ich da Metallica? Im Intro von Ekpyrosis kommt ja fast Stadionatmosphäre auf. Hat sich dann aber auch fix erledigt, denn spätestens nach einer halben Minute käme unser aller Lieblingsdäne Lars Ullrich nicht mehr mit. All Killer no Filler? Zugegeben wirken die Gitarrenparts in den Strophen wie schon mal da gewesen. Aber spätestens der akkustische Part mit dem grandiosen, atmosphärischen Solo läutet wieder einen außergewöhnlich warmen und spannenden instrumentalen Part ein. 

The Seventh Aeon liefert typische Obscura Trademarks ab: klassische Arragements und spanisches Flamenco-Feeling runden den wohl „popigsten“ Song des Albums ab. Sieht man mal vom blastbeat-Gewitter unter einigen Passagen ab (geil, wie die hohen Toms immer wieder durchbrechen), haben wir den angenehmsten Kopfnicker der Platte auf den Ohren. 

Albumthema Tot. Jup. Wer jetzt noch lebt, wird mit The Conjuration eiskalt niedergemetzelt. Der Song ist ein abgefahrenes „schwarzes“ Gewitter. Der Wechsel zwischen stumpfen und trockenen Gitarrensounds und klaren Drums sowie umgekehrt ist ein fieser Effekt, der den knapp fünfeinhalb Minuten Raserei einen bösen Unterbau verschafft. Bestialisch gut!

Da ist er wieder, der kleine Ausflug ins Stadion. Grooviges Riff, schleppende Schwere, welche sich in die Strophe zieht. Ein kleiner „Sad but true“ Moment. An Epilogue to Infinity ist erst durchzogen von flamencoartigen Rhythmen und Hamonien. Aber schnell wird klar, dass sich im vorletzten Song der Kreis für Obscura schließt. Wie zu Beginn der Platte zieht die Band hier alle Genreregister: bestes Metal-Geballere auf die Kauleiste, hirnzermalendes Gefauche, technisch starker Prog. Das Ding hat sich in mein Kleinhirn gefräst. Die Nummer ist kein Hammer, sie ist die komplette Werkzeugkiste! 

A last Farewell stellt einen schönen konträren, weil ruihigen Abschluss dar. Soundtechnisch ein Hochgenuß, ein spannender Drift in andere Sphären, ein schöner Tod, ein Übergang ins… Ja wohin eigentlich? Hoffentlich auf viele Bühnen weltweit. Momentan touren Obscura durch Amerika, im Gepäck ein großartiges Album „Made in Germany“. Und es growlt, und growlt, growlt…



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